Altes Gasthaus Pohlmeier, Steinstr. 30

Steinstraße 30
22 Dezember 2024

Altes Gasthaus Pohlmeier, Steinstr. 30

1568
In unmittelbarer Nähe zum Steintor ließen der Magister Johannes Kellner, genannt Sluncrave, geb. zwischen 1483–1532 und seine Frau Cäcilia von Böckenförde gen. Schüngel, geb. zwischen 1498–1534 ein stattliches eingeschossiges Haus errichten, das durch die Verwendung von rotem Backstein und hellem Sandstein gestaltet wurde und vermutlich 1568 fertiggestellt wurde. Der Magister Johannes war der Sohn des Richters Matthaeus Kellner aus Unna, geb. zwischen 1439–1516. Der Sohn Johannes geb. zwischen 1548–1570, war später nicht mehr in Telgte wohnhaft. Das weitere Schicksal des Hauses und seiner Eigentümer lässt sich bis zum Jahre 1700 nicht mehr zurückverfolgen. Dabei könnte es sich um den Adelshof des Jobst von Langen gehandelt haben.
Stadt Telgte, Dr. Fred Kaspar, R. Willeke Genealogie, Hilmar Henke

1742
Nach Beendigung seiner Lehr- und Reisejahre und Ablegung einer Probe seiner Wissenschaft trat im Jahre 1742 Heinrich Ferdinand Diepenbrock (1714–1759) seinem Vater Johann Arnold Diepenbrock (1694–etwa 1756) als Scharfrichter in Münster zur Seite.
Fast 70 Jahre lang hatte die Familie Diepenbrock über mehrere Generationen hinweg den Scharfrichter für die Stadt Münster gestellt.
Der Sohn von Heinrich Ferdinand Diepenbrock (1714–1759), Friedrich Ferdinand Diepenbrock (Taufe 1749), war Scharfrichter in Brochterbeck. Er heiratete 1768 die Tochter Anna Maria Gertrud Esmeyer des Scharfrichters Franz Heinrich Esmeyer (geb. um 1717). Er war um 1749 Abdecker in Sendenhorst, von 1762 bis 1785 Scharfrichter und Halbmeister in Tecklenburg, lebte in Mettingen und war letzter Richter in Tecklenburg. Am 21. Oktober 1785 fand um 8:30 Uhr auf der Richterstätte auf dem Galgenkamp in Lengerich die letzte Hinrichtung in der Grafschaft Tecklenburg statt.
Klaus Gimpel, Hilmar Henke

1745
Um 1745 kam das eingeschossige Haus Steinstraße 30, in das Eigentum des Telgter Scharfrichters H. F. Diepenbrock.
An der Fassade zur Steinstraße ist mit großen eisernen Lettern sein Name H. F. (Heinrich Ferdinand) Dypenbrock und an dem Giebel die Angabe ANNO 1745 angebracht, was darauf hinweist, dass er das eingeschossige Haus 1745 um ein Stockwerk aufstocken ließ.
In dem vorderen Volutengiebel ist ein auf das Baujahr 1568 datierter Kaminsturz in Zweitverwendung mit Wappenfiguren und lateinischer Psalm-Inschrift eingemauert: „In manibus tuis sortes meae“. Übersetzung: In Deinen Händen liegt mein Schicksal. Zu beiden Seiten des Dielentores verzieren Rautenmuster aus schwarz gebrannten Backsteinen den Giebel. Das Rautenmuster auf der rechten Seite ist unvollständig dargestellt. Ob die rechte Giebelseite bei dem Stadtrand von 1739 zerstört wurde, ist nicht mehr zu ermitteln. Es wird vermutet, dass das Haus im Übrigen bei dem Stadtbrand von 1739 überwiegend unbeschädigt geblieben war.
Stadt Telgte, Hilmar Henke

1776
Die Familie Diepenbrock verkaufte ihr Anwesen 1776 an den Bäcker und Brauer Johann Hermann Peperhove, der seiner Gastwirtschaft den Namen „Im Mohrenkönig“ gab.
Die Zahl der Gastwirtschaften um 1785 war entsprechend der Bedeutung des Ortes als ländlicher Zentralort und Wallfahrstadt mit 29 Gaststätten sehr beträchtlich. Die nachfolgenden Besitzer betrieben darin jeweils Gastwirtschaften, seit nunmehr über 200 Jahren. Die Liste der Wirte, die mehrfach auch Brauer und Branntweinbrenner waren, enthält einige bekannte Telgter Namen. Um 1790 betrieb die Familie Paul Brüggemann, die aus St. Annen bei Melle stammte, eine Bäckerei, Brennerei, Kegelbahn und Gastwirtschaft. Ab 1902 folgten der Bäcker, Brauer, und Gastwirt Heinrich Füchtenhans, 1909 Bäcker, Brauer und Gastwirt Max Lasthaus, 1912 Schmied und Gastwirt Josef Feldbrügge und 1919 dann Gastwirt Heinrich Pohlmeier.
Stadt Telgte, Liste der Schildwirte, Westfälische Nachrichten

1919
Heinrich Pohlmeier übernahm 1919 die Gaststätte „Im Mohrenkönig“ und einen kleinen Laden mit Kolonialwaren von dem Schmied und Gastwirt Josef Feldbrügge.
Am 23. April 1919 erteilte der Kreisausschuss des Landkreises Münster die Genehmigung, für den Wirt Heinrich Pohlmeier in seinem Wohnhause Nr. 175 der Gemeinde Stadt Telgte eine Gast- und Schankwirtschaft zu betreiben.
Hilmar Henke

1927
Am 4. August 1927 stellte der Deutscher Benzol-Vertrieb Dortmund im Auftrag von Wirt Heinrich Pohlmeier Steinstraße 175, eine Anfrage an das Amt Telgte, um eine baupolizeiliche und allgemeine Genehmigung einer Benzol-Zapfsäule zu erstellen. Die Zapfsäule soll auf dem Grund und Boden von Heinrich Pohlmeier, in unmittelbarer Nähe der König- und Steinstraße, auf der Spitze (Vorplatz) der zentralen Durchgangsstraßen die Bertriebsstoffversorgung der Kraftwagenbesitzer sicherstellen.
Am 13. September 1928 schrieb der Deutsche Benzol-Vertrieb einen Brief an das Amt Telgte. Wir überreichen Ihnen hiermit die Abnahmebescheinigung zur Tankanlage des Heinrich Pohlmeier, Telgte, Steinstraße 175 (heute 30). Wie viele Jahre die Zapfsäule bestand, konnte nicht ermittelt werden, weil das Bochumer Verwaltungsgebäude gegen Kriegsende völlig zerstört wurde und alle Unterlagen des Archivs verloren gingen.
Hilmar Henke

1950
Der Rat der Stadt Telgte beschloss Ende 1950, ein öffentliches Versorgungsnetz für Trinkwasser zu entwickeln, weil die eigenen Haus- und Nachbarschaftsbrunnen nicht mehr ausreichten. Schon 1952 wurden die ersten Straßenpflaster aufgenommen, Gräben gezogen und die Frischwasserrohre in die Straße und Häuser verlegt. Demzufolge wurde der Brunnen auf der Ostseite des Hauses Felderstraße (heute Baßfeld) des Hauses nicht mehr genutzt. Eine Reaktivierung des Brunnens wäre realisierbar, da er noch ständig ausgiebig Grundwasser aufweist.
Hilmar Henke

1960
Heinrich Pohlmeier übergab 1960 seine Gastwirtschaft an Tochter Josefine und ihren Mann Josef Bracht. Unter ihrer Regie erfuhr das historische Gebäude nicht nur im Inneren, sondern auch außen entscheidende Veränderungen. Nach völliger Renovierung und Umgestaltung der Gasstätte erfolgte am 3. Dezember 1965 die Wiedereröffnung der traditionsreichen Gaststätte Pohlmeier-Bracht.
Jutta Bracht, Hilmar Henke

1966
Die erste vollautomatische Bundes-Kegelbahn in Telgte wurde im Februar 1966 im Gewölbekeller des historischen Hauses Pohlmeier-Bracht von Sieghard Herres, Planverfasser und bauleitender Architekt, errichtet.
Rundblick, 25. Februar 1966

1972
Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten nach dem Denkmalschutzgesetz wurde der alte Putz am Giebel an der Ecke Steinstraße/Baßfeld abgeschlagen, das Backsteinmauerwerk gesäubert und mit Fugenmörtel verfugt.
Hilmar Henke

1986
Das Wohn- und Gasthaus Pohlmeier-Bracht, Flurstück 330–331, wurde am 07.04.1986 in die Liste der Baudenkmäler der Stadt Telgte unter der Lfd. Nr. 1/95 eingetragen.
Hilmar Henke

1986
Der alte Anbau, wo früher Stallungen, eine Heißmangel und das Material der Shell-Tankstelle gelagert waren, wurde 1984 abgebrochen. An Ihrer Stelle ist ein großer Saal entstanden, der bis zu 90 Personen Platz bietet. Neben dem Saal wurden noch ein Kaminzimmer, die Küche und im Gewölbekeller eine zweite vollautomatische Bundeshegelbahn geschaffen. In dem Obergeschoss des Hauses entstanden Mietwohnungen und ein vollautomatischer Schießstand für die Schützenbrüderschaft „Sankt Anna“. Josef Pohlmeier stellte diesen Raum als Vereinsmitglied kostenlos zur Verfügung.
Westfälische Nachrichten, Hilmar Henke

1990
Am 19. September 1990 übergaben Josefine und Josef Bracht nach 32 Jahren im Rahmen eines Jubiläumsempfangs ihre traditionsreiche Gastwirtschaft an Tochter Jutta Kreutzer und ihren Mann Fred in die dritte Familientradition ab. Jutta und Fred Kreutzer planen einige Veränderungen. Für 1991 planten sie ein Gartenkaffee an der Ostseite des Hauses. Jutta Kreutzer hat diesen Sommer die Hauswirtschafts-Meisterprüfung abgelegt und plant im Bereich „Hauswirtschaft“ und „Fachgehilfen im Gastgewerbe“ auszubilden.
Westfälische Nachrichten, Hilmar Henke

 1992
Die Familie Pohlmeier-Bracht-Kreutzer hat, seitdem Heinrich Pohlmeier das Haus aus dem 16. Jahrhundert gekauft hatte, bei Instandsetzungen, Modernisierungen und Umbauten immer den Denkmalschutz-Gedanken mit einbezogen. Nach diversen Maßnahmen in der Vergangenheit wurden jetzt unter der Regie von Jutta Kreutzer Restaurierungen an dem Nordgiebel und der Rückseite des Hauses in Angriff genommen. Diesem Nordgiebel sowie der Rückseite des Hauses zum Baßfeld galt denn auch in den vergangenen Monaten Juli, August und September die Hauptarbeit der Handwerker, die zudem den Kaminkopf neu mauern mussten. Da wurde das gesamte Mauerwerk der Rückseite des Hauses gereinigt. Gegebenenfalls wurden einzelne Steine erneuert. Dann wurde die nicht gerade kleine Rückwand neu verfugt. Auch die die Rückwand so schön auflockernden Sandsteinfassungen, Giebelabdeckungen, Voluten und Gesimse aus Leistädter Sandstein wurden gründlich überholt, auch teilweise ausgewechselt. Ferner wurden die stark rostenden Maueranker entrostet und mit Epoxy-Rostschutz behandelt. Nun mussten noch neue Türen und Fenster auf der Rückseite des Hauses eingesetzt werden, was aber in den nächsten Wochen geschehen soll.
Westfälische Nachrichten, Hilmar Henke

2024
Nach über 105 Jahren schließt das Traditionsgasthaus „Altes Gasthaus Pohlmeier“ in Telgte für immer seine Gaststätte. Die Ferienwohnungen und die Kegelbahnen werden nicht geschlossen. Die Kegelbahnen werden durch eigenen Service weiterbetrieben.
Jutta Bracht

Danksagung
Ich möchte mich bei allen herzlich bedanken, die mich mit Informationen unterstützt haben. Jutta Bracht, Dr. Fred Kaspar, Stadtarchiv Telgte, Klaus Schwinger, Edgar Winter, Westfälische Nachrichten.

Hilmar Henke

 

Bemerkungen zu den Bildern

zu Bild 1:
Hausschild „Pohlmeier Bracht Steinstraße 30“

zu Bild 2.a:
Genehmigungsurkunde, für Wirt Heinrich Pohlmeier eine Gast- und Schankwirtschaft zu betreiben.

zu Bild 2.b:
Rückseite der Genehmigungsurkunde.

zu Bild 3:
Erhebung einer Kreissteuer: Es handelt sich um Übernahme der bisher von For. Feldbrügge betriebenen Wirtschaft. Münster, den 9. April 1919

zu Bild 4.a:
Aufriss, Seitenriss und Grundriss der Zapfsäule Type D. von der Benzol-Verband-GmbH Bochum.

zu Bild 4.b:
Beschreibung und Betriebserklärung der Zapfsäule Type D.

zu Bild 4.c:
Abnahme-Bescheinigung, Dortmund, den  22. August 1928.

zu Bild 4.d:
Foto vor1937 mit der (B. V.) Benzol-Zapfsäule, Schaufenster li. und li. ein Kaugummiautomat.

zu Bild 5:
Pohlmeier Bracht. Steinstraße 30, Foto 1954.

zu Bild 6.a:
Fassade zum Baßfeld vor der Restaurierung 1992.

zu Bild 6.b:
Fassade zum Baßfeld nach der Restaurierung 1992.

zu Bild 7:
Josefine und Josef Bracht übergeben die Gaststätte an ihre Tochter Jutta Kreuzer.

zu Bild 8:
Die Inschrift über der kleinen Tür an der zur Steinstraße gelegenen Seite ist eine gereimte Übersetzung des Bibelspruches nach Psalm der Hebräer Zahl  15 nach heutiger Zählung Psalm 14.