Kleine Mühle, Emstor 5

Emstor 5
03 April 2024

Kleine Mühle, Emstor 5

Die beiden Telgter Emsmühlen, die Große und die Kleine Mühle, gehörten jahrhundertelang zum Besitz des Fürstbischofs in Münster und wurden durch Pächter betrieben. Die Geschichte der Kleinen Emsmühle reicht sehr weit zurück, die erste urkundliche Erwähnung einer Mühle stammt aus dem Jahr 1137.
Die „Kleine Mühle“ befindet sich derzeitig im Eigentum der Stadt Telgte.
Stadt Telgte, Dr. Jürgen Voßhans

1776
Als Heinrich Anton Terfloth 1776 die Telgter Mühlen für seinen Sohn Clemens August Anton Terfloth (1758-1833) vom Fürstbischof von Münster in Erbpacht übernahm, tat er dies für einen Achtzehnjährigen. Er selbst der Wiegemeister aus Greven, der mit der aus Ungarn stammenden Elisabetha Zwerger verheiratet war, offenbarte dabei eine Zielstrebigkeit, die sichtlich darauf angelegt war, die existentielle Grundlage für eine Generationenfolge zu schaffen.
Stadt Telgte

1790
Clemens August Anton Terfloth (1758-1833) heiratet am 11.5.1790 Christine Ernesti, die Tochter des Telgter Kaufmanns und Holzhändlers Bernd Joseph Ernesti. Dieser stammte aus Münster und hatte 1765 das Telgter Bürgerrecht erworben. Clemens August Anton Terfloth indes wurde mit den Telgter Bürgerrechten im Jahr nach seiner Heirat (1791) belehnt.
Mit Christine Ernesti hatte Clemens August Anton Terfloth nicht nur eine außerordentlich tüchtige Lebensgefährtin gewonnen, sondern auch eine Frau, die später ein erhebliches väterliches Erbe in die Familie brachte. Aus der Ehe gingen zwölf Kinder - zwei Söhne und zehn Töchter – hervor, die zum Teil jedoch schon in frühen Jahren der Familie durch den Tod wieder genommen wurden. Auch beide Söhne überlebten ihren Vater nicht. Anton Clemens August Katharina, der älteste, geboren am 14.5.1791, stand, als er an „Zehrung“ starb, 1823 in militärischen Diensten. Der zweite Sohn, geboren am 13.11.1802, starb in noch jüngerem Alter. Er trug den Namen Clemens August Maria Terfloth.
Stadt Telgte

1803
Nach der Aufhebung des Fürstbistums Münster im Jahre 1803 wurde der preußische Staat Eigner der Emsmühlen. Allerdings ergab sich für Clemens August Anton Terfloth die Möglichkeit, die Mühlen als Eigentum zu erwerben. Als er 1833 starb, führte seine Frau Christine Terfloth die Verhandlung weiter. 1838 gelang es ihr, zum Verkaufsabschluss mit der Provinzialregierung zu kommen und den Mühlenhof mit den Emsmühlen für ihre Familie zu sichern. Als Christine Terfloth geborene Ernesti 1850 starb, erbten ihre vier unverheirateten Töchter den Besitz, Angela, Lisette, Dina  und Maria Angela Franciska Terfloth (1798-1883), die ihre Schwestern um 20 Jahre überlebte. Bis zu ihrem Tod 1883 war sie Alleineigentümerin. Sie vererbte ihr Privatvermögen mit dem Haus am Markt 3 (früher Nr. 141) an ihre Nichten Laura und Fanny Meckel. Im Testament wurde genau festgehalten, wie die Mühle in den folgenden Generationen weitervererbt werden musste, damit das Erbe ungeschmälert der Familie erhalten blieb und nicht an die Familie eines möglichen Schwiegersohnes fiel.
Stadt Telgte

1860
In den 1860er- Jahren errichtete Angela Terfloth unter dem Verwalter Bernhard Kappenwerth auf der rechten Uferseite eine Sägemühle. Sie hatte zwei Fallgitter und eine Kreissäge. Jedes Gatter war immerhin mit etwa 10 Sägeblättern ausgestattet, so dass die Sägemühle recht leistungsfähig und vielleicht der einträglichste Teil des Gesamtunternehmens war.
Stadt Telgte

1871
Die Mühlenbesitzerin Fräulein Maria Angela Franciska Terfloth (1798 – 1883) beauftragte den Mühlenbaumeister Heinrich Remme aus Brochterbeck mit der Planung einer neu anzulegenden Sägemühle. Am 2.3.1871 stellte der Mühlenbaumeister seinen Entwurf über die neue Sägemühle vor. Statt der vorgesehenen Wasserturbine wurde ein Wasserrad eingebaut.
Am 13.10.1871 erfolgte die Genehmigung von der Königlichen Regierung in Münster zum Umbau der Sägemühle.
Stadt Telgte

1874
Nur drei Jahre später, beauftragte die Mühlenbesitzerin Fräulein Maria Angela Franciska Terfloth (1798 – 1883) erneut den Mühlenbaumeister Heinrich Remme aus Brochterbeck mit der Planung des Umbaues der Mahlmühle. Am 26.2.1874 stellte der Mühlenbaumeister seinen Entwurf über den Umbau vor. Die Mühle soll mit dem Einbau eines Wasserrades statt der vorhandenen 3 Wasserräder umgebaut werden.
Am 4.5.1874 erfolgte die Genehmigung von der Königlichen Regierung in Münster zum Einbau eines Wasserrades statt der vorhandenen 3 Wasserräder.
Stadt Telgte

1890/91
Im Winter 1890/91 brannte die Sägemühle bis auf die Grundmauern ab. Als Versicherungssumme wurden 10 000,- M bezahlt. Es ist heute nicht mehr festzustellen, warum die Sägemühle nicht wieder aufgebaut wurde.
Stadt Telgte

1899
Albert Bruens (1870-1952) kam 1899 aus Anholt als Verwalter der Terflothschen Mühlen nach Telgte. Er heiratete Antonia Becker, eine Nichte von Anna Laura Bernadina Meckel (1837-    ) auch sie wohnten im Haus Markt 3 (früher Nr. 141).
Stadt Telgte

1902
Im Jahre 1902 wurde am Dümmert die neue „Kleine Mühle“ auf den Fundamenten der 1890/ 1891 abgebrannten Sägemühle errichtet. Die alte Mühle auf der gegenüber liegenden Seite war damals so baufällig, dass sie stillgelegt werden musste. Die schweren eichenen Balken wurden beim Bau der neuen kleinen Mühle mit verwendet. Das neue zweigeschossige Mühlengebäude mit massivem Erdgeschoss sowie ausgemauertem Fachwerk im Obergeschoss und Giebel wurde nicht mehr mit einem Wasserrad, sondern mit einer ca. 80 PS starken Francisturbine der Firma Briegleb, Hansen & Co., Gotha, mit einem Mahl- und einem Schrotgang neuzeitlich eingerichtet. Als Berater für diesen Umbau trat Direktor Kalt von der Prüfungsstation für landwirtschaftliche Maschinen in Münster in Erscheinung. Gleichzeitig richtete die Firma im Neubau einen Mehl- und Futtermittelhandel ein und ließ nachträglich noch einen zweiten Schrotgang einbauen. Zur Bequemlichkeit der vielen kleinen Ackerbürger in Telgte fuhr damals fast täglich ein „Korndriewer“ mit einem Mühlenwagen durch die Straßen, um Korn abzuholen und Mehl und Futtermittel zurückzubringen. Der letzte Korndriewer war Bernhard Schwienhorst, der länger als 40 Jahre der Firma gedient hat.
Stadt Telgte, Dr. Jürgen Voßhans

1908
Die Firma A. Terfloth ging wegen hoher Verbindlichkeiten 1908 in Konkurs. Der Bauunternehmer Heinrich Hardensett aus Telgte kaufte den neu gebauten Mühlenhof, die Große Mühle und die „neue Kleine Mühle“ am Emstor, jedoch ging die „neue Kleine Mühle“ vertraglich erst 1914 in seinen Besitz über. Die Große Mühle wurde stillgelegt und die Kleine Mühle von Albert Bruens weitergeführt.
Stadt Telgte

1914
Die kleine Mühle am Emstor wurde 1914 an Friedrich Dunkel verpachtet, der noch eine Handelsmühle an der Ecke Bahnhofstraße/Grabenstraße Nr. 35-37 betrieb. Hier hatte auch die Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft, die in Telgte 1910 gegründet wurde, ihre erste Niederlassung. Dunkel hat die kleine Mühle nach der Inflation im Jahre 1924 mit drei Doppelwalzenstühlen der Firma Seck in Dresden zur Handelsmühle umbauen lassen und

betrieb die Handelsmühle bis Juni 1956.
Stadt Telgte

1931/32
Friedrich Dunkel ließ in nördlicher Richtung ein Lagergebäude errichten, das an die typische Industriearchitektur der 1920er Jahre angelegt war.
Dr. Jürgen Voßhans

1956
Sein Sohn Fritz Dunkel kam nach dem zweiten Weltkrieg in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Müllereimaschinen wurden veräußert und die Mühle mit der Wasserkraft an Kurt Teichert verkauft. Damit war das Ende der Wassermühlen zu Telgte gesetzt. Ein über 1000- jähriges, wechselvolles Kapitel war abgeschlossen.
Stadt Telgte, Dr. Jürgen Voßhans

1961
Teichert, der eine Großhandlung betrieb, nutzte von da an die Wasserkraft nur zur Stromerzeugung für den eigenen Betrieb. In den 1980er-Jahren verkümmerte das markante Gebäude am Emstor zu einem unscheinbaren Lagerhaus, deren bauliche Substanz offenkundig verfiel.
Dr. Jürgen Voßhans

1979
Die Mühle befindet sich derzeitig im Eigentum der Stadt Telgte. Die Stauanlage wurde 1979 umfangreich saniert. Das ursprüngliche Staurecht wurde 1979 mit der Stillegung der alten Turbinenanlage gelöscht. Das Land NRW wurde Eigentümer der Emsstauanlage. 1990 wurde dann von der Stadt Telgte für diesen Standort erneut die Erlaubnis zur Wasserentnahme aus der Ems zum Zweck der Wasserkraftnutzung beantragt und in der Folge erteilt. Die damals geplante Nutzung – Durchströmung einer Wasserradanlage zur Energiegewinnung – konnte wegen technischer Probleme nicht umgesetzt werden. 2004 wurde mit dem Einbau der jetzigen Turbine, die o. a. vorhandene Erlaubnis der Stadt Telgte an die ECM- Energie Concept Münster GmbH (als Rechtsnachfolgerin, 2004) abgetreten.
Dipl.-Ing. Klaus Brockmeier

1988
Das zweigeschossige Mühlengebäude mit massiven Backsteinerdgeschoß sowie ausgemauertem Fachwerk im Obergeschoß und Giebel wurde am 01.08.1988 in die Liste der Baudenkmäler der Stadt Telgte unter der Lfd. Nr. 1/96 eingetragen.
Stadt Telgte

2001
Das Kinder- und Jugendwerk Telgte e.V. wurde im April 2001 gegründet und betreibt in enger Kooperation mit der Stadt Telgte das Jugendzentrum in der Mühle am Emstor als Einrichtung der offenen Kinder- und Jugendarbeit mit zwei hauptamtlichen Fachkräften. Darüber hinaus ist das Kinder- und Jugendwerk Träger der aufsuchenden Jugendarbeit mit einer hauptamtlichen Fachkraft.
Stadt Telgte

2004
2004 wurde mit dem Einbau der jetzigen Rohrturbine, die o. a. vorhandene Erlaubnis der Stadt Telgte an die ECM- Energie Concept Münster GmbH (als Rechtsnachfolgerin, 2004) abgetreten.
Dipl.-Ing. Klaus Brockmeier, Philipp Kruse

2006
Der Arzt Dr. med. dent. Jürgen Voßhans kaufte am 13. April 2006 das nördlich angrenzende Lagergebäude der „Kleinen Mühle“ und richtete seine oralchirurgische Praxis ein.
Die Anbauten im Stil der Industriearchitektur entstanden in den 1930er-/1940er-Jahren und dienten als Pferdestall, Motor-, Lager- und Büroraum. Besitzer war damals Friedrich Dunkel, der die Handelsmühle bis 1956 betrieb.
Dr. Jürgen Voßhans, Stadt Telgte

 

Danksagung
Ich möchte mich bei allen herzlich bedanken, die mich mit Auskünften und Fotos unterstützt haben, Dr. Fred Kaspar, Dr. med. dent. Jürgen Voßhans, Dipl.-Ing. Klaus Brockmeier, Philipp Kruse, Klaus Schwinger, Jutta Holtkötter, Julia Plötzgen, Hans Melchers und Albert Bruens.

Hilmar Henke

Bemerkungen zu den Bildern

zu Bild 1:
Sägemühle und kleine Kundenmühle „Westansicht“.
Nach einem Aquarell von Prof. Carl Determeyer, gemalt nach einer Fotografie aus den Jahre 1875, im Besitz von Albert Bruns, Telgte.
Stadt Telgte

zu Bild 2:
Die vier unverheirateten Geschwister.
Maria Angela Franciska Terfloth   (1793 -1883).
Catharina Gertrud Terfloth          (1796 – 1869).
Anna Maria Elisabeth Terfloth      (1800 – 1864).
Barbare Bernadina Terfloth         (1810 – 1863).
Stadt Telgte

zu Bild 3:
Entwurf des Mühlenbaumeisters Heinrich Remme aus Brochterbeck vom 2.3.1871 über eine neu anzulegende Sägemühle für Mühlenbesitzerin Fräulein Angela Terfloth zu Telgte a. d. Ems.
Stadt Telgte

zu Bild 4 & 4.1:
Zeichnung des Mühlenbaumeisters Heinrich Remme aus Brochterbeck vom 26.2.1874 über den Umbau der Kornmahlgänge in der Mühle des Fräulein Angela Terfloth zu Telgte a. d. Ems zum Einbau eines Wasserrades statt der vorhandenen 3 Wasserräder. Auf dem Foto 4.1 sind noch die drei Wasserräder zu erkennen.
Stadt Telgte

zu Bild 5:
1902 wurde am Dümmert die neue „Kleine Mühle“ auf den Fundamenten der abgebrannten Sägemühle errichtet.
Hans Melchers

zu Bild 6:
Die Kleine Mühle, ist seit 2001 ein Jugendzentrum.
Hilmar Henke

zu Bild 7:
Friedrich Dunkel übernahm noch in den 1890er-Jahren eine Handelsmühle an der Ecke Bahnhofstraße/Grabenstraße Nr. 34-37. Hier hatte auch die Bäuerliche Bezugs- und Absatzgenossenschaft, die in Telgte 1910 gegründet wurde, ihre erste Niederlassung.
Stadt Telgte

zu Bild 8:
Bild um 1980
Der zwerghausähnliche Dacheinbau mit seinem Pultdach auf der Westseite der Mühle, ist bei Erneuerung des Daches nicht übernommen worden.
Stadt Telgte

zu Bild 9:
LWL-Bild- und Planarchiv Nr. Telgte, Emstor 5 TKD-Film 1865 Neg_30.

zu Bild 9.1.
LWL-Bild- und Planarchiv Nr. Telgte, Emstor 5 TKD-Film 1865 Neg_32.
Das seit einiger Zeit schon stillgelegte Wasserrad, wurde für die Baumaßnahme der neuen Rohrturbine abmontiert.
ECM Energie Concept Münster GmbH, Philipp Kruse

zu Bild10 und 11:
Zeichnung und Einbaulage der Rohrturbine, der Fa. WP Waterpumps Oy, Helsinki
50kW mit Direktgekoppeltem Asynchrongenerator.
ECM Energie Concept Münster GmbH, Philipp Kruse

zu Bild 12:
In dem nördlich angrenzenden ehemaligen Lagergebäude der Kleinen Mühle, richtete Dr. med. dent. Jürgen Voßhans seine oralchirurgische Praxis ein.
Hilmar Henke